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Autor: Maki

Tanja & Oma Ringel: „Zum Inventar unseres Hauses gehört Oma Ringel. Welch schöner Bonus in meinem Leben, denn ich bin nicht mehr omalos“

Tanja & Oma Ringel

Vom Glück einer Bonus-Oma.


Moin. Ja, in Hamburg da secht wi Moin oder ganz förmlich „Guten Tag“. Ich bin Tanja, fast 43, was sich seit Jahren eher wie Mitte 20 anfühlt. In meinen Genen fließt das Blut eines waschechten wortkargen Hanseaten und einer polnisch-deutsch-schwedischen, überhaupt nicht wortkargen, Mutter. Herausgekommen bin ich: eine Teilzeit-Extrovertierte, manchmal leicht spirituelle Tochter, die an Mondphasen glaubt, an Familie und Werte, die ihre eigene Meinung vertritt und Kaffee als Lebenselixier auch intravenös genießen würde.


Mein Sohn ist 19, studiert, hat 2021 seine eigene Firma gegründet und wohnt auch nicht mehr im Hotel Mama. Was ich schade finde, denn mein egoistisches Selbst hätte ihn gerne noch eine Weile bei mir gehabt. Ja, loszulassen fiel mir schwer – auch wenn ich dachte, dass ich gar nicht klammere. Pfft. 
Habe ich doch manchmal leicht herablassend über die „Helikopter Mamas“ geschimpft. 
Auf die emotionale Reise des Flügge-Werdens war ich nicht vorbereitet und musste selbst erkennen, wie wichtig es ist, sein Kind in die Welt zu entlassen.

Mit dem Auszug meines Sohnes stand bei mir ein Umzug an. Denn was sollte ich allein in unserer Vier-Zimmer-Wohnung? Ein neuer Mann, mit dem ich jetzt sogar verlobt bin, trat fast zeitgleich mit Samuels Auszug in mein Leben. Es kam, wie es kommen musste: Kennenlernen, verlieben, zusammenziehen. Ging alles irgendwie schnell.

 Ich lebe jetzt seit knapp 1,5 Jahren kurz vor der Grenze zu Norderstedt, was immer noch Hamburg ist, aber sich für eine Bergedorferin, was auch zu Hamburg gehört, fast wie auswandern anfühlt. 

Wir wohnen mit zwei Fellnasen, jeder Menge Starwars und Startrek-Kram (know the difference!) und berufsbedingter aufwendiger Influencer-Ausstattung (viel Klamotten, Ringlichter, Kameras und Beauty-Krams) in einem schnuckeligen Haus am Stadtrand.

Zum Inventar gehört außerdem Oma Ringel, die im unteren Bereich des Hauses ihr Zimmer und eine Terrasse hat.

Hey Nana - Carina & Oma Elfriede

Ich bin nicht mehr „omalos“ und das freut mich von Herzen

Ich weiß, dass mag vielleicht für einige eine ungewöhnliche Kombination sein. Das Mehrgenerationen-Haus ist bestimmt eine beängstigende oder gar utopische Vorstellung. 
Gerade in der heutigen Zeit, wo alte Werte vielleicht gar nicht mehr „en vogue“ sind und jede;r so individuell wie möglich leben kann und soll. Es mag aber auch sein, dass ich nicht mehr „omalos“ bin und mich das von Herzen erfreut.
 Mir war klar, dass wenn ich mich für ein gemeinsames Leben mit André entscheide, dann gehört Oma Ringel mit dazu. Sie ist die letzte lebende Verwandte (mütterlicherseits) und auch irgendwie die letzte Verbindung zu Andrés Mutter, die 2005 leider an Krebs verstarb.


Oma Gertrud ist knapp 94 Jahre jung und im Kopf fitter als manch junger Mensch.
 Sie hat Hände, die voller Falten und Lebensgeschichte sind, und dennoch so zerbrechlich und voller Stärke, dass sie mich direkt an die zarten Hände meiner Oma Sophie erinnern.


Gertrud ist vielleicht etwas langsamer und schneller aus der Puste, aber sie macht alles in ihrem Tempo. Unsere Hilfe braucht sie meistens nicht. Sie wäscht ihre Wäsche, was mir jedes Mal Schnappatmung macht, wenn ich sie die Kellertreppe heruntergehen sehe. Nicht auszudenken, was passiert, wenn sie hinfällt. Aber, sie will es so. Diskutieren zwecklos. 
Sie duscht sich allein und legt sich jeden Samstagmorgen die Haare.
 Wir haben es mal mit dem Dyson ausprobiert. Hält aber nicht so gut, sagt Gertrud.
 Sie näht mir meine Knöpfe an oder repariert meine Oberteile. Und dies so feinsäuberlich und akkurat, dass ich echt nur staunen kann. Ja, Gertrud ist aktiv und munter. Nur der Körper will nicht mehr so, wie sie es gerne hätte.


Oft sprechen wir über alte Zeiten und sie holt ihr 200-seitiges Dokument über ihre Heimatstadt in Polen heraus, was vor dem zweiten Weltkrieg noch zu Deutschland gehörte. 
Ich höre jedes Mal, wenn sie spricht, den alten Schmerz heraus, der ganz tief sitzt. Und auch die große Sehnsucht, all die Traumata, die sie als junges Mädchen erlebt haben muss. Psychologische Betreuung, das gab es damals nicht.

Sie erzählt mir von ihren Eltern und Geschwistern und, dass sie ihr Haus und alles Hab und Gut zurücklassen und vor den polnischen Soldaten fliehen mussten.
 Sie wurde gezwungen eine „Nazi-Binde“ zu tragen, damit man weiß, zu wem sie „gehöre“.
 Musste weglaufen, unter freiem Himmel schlafen, hungern, frieren und in Hamburg ganz von vorne anfangen. All das, was Menschen gerade anderswo auch heute noch erleben.


Hey Nana - Carina & Oma Elfriede

Für mich ist ihre Stärke trotz aller Zerbrechlichkeit stets allgegenwertig. 
Sie erinnert mich an meine Omas und daran, dass das Leben gelebt werden muss. Und zwar heute. 
Oma Ringel zeigt mir, wie wichtig es ist, Zeit mit älteren Menschen zu verbringen. Wie bedeutend es ist, von ihnen zu lernen und ihre Ratschläge auch anzunehmen. 
Sie hat mir beigebracht, dass alt werden ein Privileg ist. Was mir nochmal besonders durch den Tod meines 42-jährigen Cousins in diesem Jahr bewusst geworden ist. Nicht jede:r von uns wird alt werden. 


Zu Weihnachten wünscht sie sich wie immer nichts, da sie schon alles habe. Woran wir uns natürlich nicht halten werden. Sie bekommt eine Orchidee aus Lego, weil sie gerne bastelt und dunkle Schokolade, weil die andere ihr zu süß ist. 
Und sie geht mit uns auf große Tour zu meinen Eltern in den Oberharz. Dort war sie zuletzt in den 70ern und sie mochte die Luft damals nicht so. Aber das hat sich heute sicherlich geändert, sagt sie.



Ich habe meine Bonus-Oma sehr lieb und wünsche uns noch viele gemeinsame Jahre.
 Sie ist nicht nur eine Bereicherung für mich, sondern auch eine Uroma für meinen Sohn, und wie eine Mama für meine Mama und meinen Papa.

 Welch schöner Bonus in meinem Leben!




Diese OMAge stammt von Tanja Marfo. Sie hat sich oben ja wunderbar selbst vorgestellt, aber wichtig zu erwähnen ist noch: Tanja, aka @kurvenrausch bei Instagram, setzt sich seit vielen Jahren für Toleranz und Köpervielfalt ein. In der Plus-Size-Szene hat sie viel bewegt und Ende 2022 dann die erste Ausgabe ihres  Magazins „Size Egal“ herausgebracht. 

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Angelique & Ingeborg: „Omi, ich bin jetzt vegan“

Angelique & Oma Ingeborg:

„Omi – für mich die beste Köchin der Welt. Also packte ich all meinen Mut zusammen und es platzte aus mir heraus: „Omi, ich bin jetzt vegan!“


Ungefähr drei Monate nach meiner Entscheidung, vegan zu leben, stand der langersehnte Heimatbesuch an. Endlich konnte ich meine Familie wieder in die Arme schließen. Es war also auch an der Zeit, meinen Liebsten von all den Veränderungen und meiner neuen Lebensweise zu berichten. Ich war richtig aufgeregt! Die Beine haben gezittert, und ich habe geschwitzt. Aber wieso eigentlich? Na, weil ich weiß, wie skeptisch ich selbst gewesen war – und bei dem Gedanken daran, meinen Großeltern erklären zu müssen, dass ich von nun an nie wieder ihre Königsberger Klopse, Schnitzel oder sogar den weltbesten Erdbeerkuchen essen würde, wurde mir ziemlich bang.

Omi – für mich die beste Köchin der Welt. Die mich mit all ihren Leckereien verzauberte. Bei ihr wird jeden Tag fleißig gebacken, die ganze Küche riecht immer nach frischem Kuchen. Sobald ich die Treppe zu meinen Großeltern runterlaufe, fühlt es sich allein durch den Geruch immer
sofort wohlig und nach Ankommen an. Und in der Mitte meine Omi, stolz wie Oskar, wenn sie ihren Rezepten die Kirsche auf der Sahnetorte verleihen kann

Ja, da kann man schon mal nervös sein. Wie wird sie reagieren? Was wird sie sagen? Wird sie es verstehen, wenn ich es ihr erkläre? Also packte ich all meinen Mut zusammen und es platzte aus mir heraus: „Omi, ich bin jetzt vegan!“

Hey Nana - Angelique & Ingeborg: „Omi, ich bin jetzt vegan"

Omi guckte irritiert. »Vegan? Was bedeutet das, mein Schatz?«

„Wie soll ich dir das am besten erklären? Also, ich esse keine tierischen Produkte mehr. Also kein Fleisch, keine Eier, keine Milch, keinen Käse.“

„Ach, Kindchen, was soll ich dir denn jetzt noch kochen? Wie kann ich dir denn noch etwas Gutes tun? Ist das denn überhaupt gesund? Dir wird doch so viel fehlen. Dann kann ich dir ja gar nicht mehr deine Lieblings- Zwetschgenknödel machen, oder?“ Sie guckte ganz traurig. Da nahm ich ihre Hand und fing an, es ihr zu erklären.

„Oma, ich habe meiner Gesundheit zuliebe damit angefangen, und es geht mir schon so viel besser. Meine Migräne ist nicht mehr so stark und kommt immer seltener. Außerdem möchte ich nicht, dass Tiere für meinen Genuss leiden müssen. Egal, wie sie gehalten werden. Es ist eben leider nicht mehr wie früher. Da war all das noch etwas Besonderes. Der berühmte Sonntagsbraten etwa. Fleisch war damals etwas Besonderes, etwas, auf das man sich die ganze Woche gefreut hat. Und jetzt? Jetzt ist dieser Wert verloren gegangen.“

Daraufhin überlegte sie. „Ja, da hast du recht. Früher in der Nachkriegszeit kannten wir es gar nicht anders. Da konnten wir uns tierische Produkte nicht leisten und mussten erfinderisch werden. Aus wenig das Bestmögliche rausholen.“

Und auf einmal begann sie, von früher zu erzählen. Ich lauschte ihr lächelnd, wie sie in Erinnerungen schwelgte und immer wieder schmunzeln musste. Und dachte mir nur: Was für eine tolle Omi ich doch habe!

Was Oma über all das denkt

„Omi, ich bin jetzt vegan!“ Das war das Erste, was sie mir bei ihrem Besuch sagte. Natürlich wusste ich zuerst nicht, was ich ihr antworten sollte, und dann dachte ich mir nur: Was kann ich dem Kind denn jetzt noch kochen?! Alles, was sie gerne bei mir aß, war mit Zu taten wie Eiern, Butter oder Milch gebacken oder gekocht. „Oje“, dachte ich, „jetzt bist du 72 Jahre und sollst noch mal neu kochen lernen.“

Da fiel mir auf einmal meine Mutter ein, die mir vieles gezeigt und nach dem Krieg mit wenig Zutaten immer etwas Leckeres auf den Tisch gebracht hatte. Wir hatten damals einen großen Garten, wo jedes Jahr viel Gemüse und etliche Kräuter gezogen wurden. Einen Apfel- und Kirschbaum gab es auch. Den Sommer über konnten wir ernten, und für den Winter wurde eingekocht. Schon als Kind habe ich gewusst, wie man Marmelade und Apfelmus macht, auch heute noch mache ich das selbst.

Es tut mir immer sehr weh, wenn ich das viele Obst sehe, das nicht gepflückt wird oder auf dem Boden liegen bleibt. Und all das, was meine Mutter mir früher
gezeigt hat, war meist ohne tierische Produkte zubereitet, da sie einfach sehr teuer waren und wir uns das nicht leisten konnten.

Wie habe ich es doch geliebt, wenn es Kohlrabi-Schnitzel mit Kartoffeln gab! Alles frisch aus unserem Garten und – ja, auch pflanzlich. Wir hatten damals nur den Begriff „vegan“ noch nicht. Aber vom Prinzip her genau das Gleiche. Und uns hat als Kindern auch nichts gefehlt. Wir sind gesund und munter gewesen.

Wie sollte das heutzutage anders sein?, frage ich mich. Selbst heute habe ich noch einen kleinen Garten und versuche immer, das Wichtigste anzupflanzen oder zu säen. Viel Salat, Kohlrabi, Karotten, Zwiebeln, Tomaten, Zucchini, Sellerie und natürlich viele Kräuter. Da ich Enkelkinder und Urenkel habe, die öfter bei mir essen, koche ich viele Suppen damit, die sie alle lieben. Dazu brauche ich kein Fleisch, aber viel Gemüse. Also warf ich alle meine ersten Sorgen über Bord und habe mich einfach immer mehr mit der veganen Ernährung auseinandergesetzt. Als Angie wieder zurück nach Berlin gefahren war, begann ich, beim Kochen und Backen Neues beziehungsweise „Altes“ auszuprobieren.

Und stellte fest: Es ist tatsächlich gar nicht schwer, und ich habe so viel Freude daran! Jedes Mal, wenn sie mich besuchen kam, tüftelten wir gemeinsam an veganen Kreationen wie ihren allerliebsten Aprikosenknödeln mit Zucker und goldbraun geschmolzener Margarine. Mittlerweile gibt es immer viel Veganes, wenn mein Enkelkind zu Besuch kommt. Genauso wie an Familienfeiern. Und alle lieben es. Denn es schmeckt genauso wie vorher – und gesünder ist es obendrein. Hach, ich koche und backe für mein Leben gerne!

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, wie meine Liebe zum Kochen entstand, muss ich immer schmunzeln. Meine Mutter hat mir damals zwei Ziegelsteine in den Garten nebeneinandergestellt, einen alten Ofenrost und einen Aluminiumtopf darauf. So habe ich für die Nachbarskinder immer Suppe und Pudding gekocht.

Heute sind die Nachbarskinder auch schon fast 70 Jahre, aber keiner von ihnen hat diese schöne Zeit vergessen, wie ich sie bekocht habe und was wir für einen Spaß zusammen hatten. Ja, diese Liebe zum Essen ist heute immer noch genauso stark.

Hey Nana - Angelique & Ingeborg: „Omi, ich bin jetzt vegan"

Diese OMAge stammt von Angelique Vochezer. Genau genommen aus dem Buch „Omi, ich bin jetzt vegan“, das im Verlag Allegria erschien. @angeliquelini steht für eine junge Generation, die verantwortungs-, umweltbewusst und gesund genießen möchte. Ihre Oma Ingeborg Teßmann hat die Gerichte aus der Kindheit in vegan übersetzt. Sie liebte das Kochen schon immer und führte jahrelang selber ein eigenes Restaurant. Sie mag zwar immernoch einen gescheiten Sonntagsbraten, aber für Ihre Enkelin hat sie sich auf das „Abenteuer vegan“ eingelassen.

Hey Nana - Angelique & Ingeborg: „Omi, ich bin jetzt vegan"

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Şeniz Tiryaki über Omas Rolle im Kurzfilm „Diaspora“

Kurzfilm „Diaspora“ – nicht ohne meine Oma

„Anneanne bedeutete für mich schon immer einfach nur Frieden“


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„Diaspora“ ist ein Kurzfilm, bei dem es um das Leben und Aufwachsen zwischen zwei Kulturen geht. Der persönliche Struggle, der Alltagsrassismus – aber auch die Bereicherung, die man erfährt, wenn man multikulturell aufwächst. Meine Gedanken dazu habe ich in einem Gedicht formuliert und dieses schließlich mit Hilfe dieses Kurzfilms untermauert. Ein wichtiger und bedeutender Teil in dem Kurzfilm ist das Gespräch mit meiner Oma. Am Anfang des Filmes reden meine Oma und ich darüber, dass ich mich nirgendwo so fühle wie bei ihr. Dieser Teil des Filmes ist vor allem für mich sehr emotional und wichtig, da er meine Gefühle so echt widerspiegelt.

Meine Oma bedeutete für mich schon immer einfach nur Frieden. Sie war der Safe Space meiner Kindheit. Ich war in meiner Kindheit fast jeden Tag bei ihr. Als ich krank war, war ich bei ihr. Hatte ich Sorgen, war ich bei ihr. Zudem bewundere ich meine Oma unglaublich für alles, was sie geschafft hat. Sie ist allein als junge Frau nach Deutschland gezogen und hat seit dem ersten Tag an hart gearbeitet. Ohne jemals in der Schule gewesen zu sein, ohne ein Wort Deutsch sprechen zu können und nur mit einem Koffer hat sie ein ganzes Leben in ihrer Heimat zurückgelassen, damit wir es besser haben können. Sie schuftete auf Spargelfeldern, hatte mehrere Jobs an einem Tag und war einfach eine Macherin. Sie konnte aus ein paar D-Mark und Ehrgeiz so viel schaffen.

Und dazu ist sie auch noch eine coole Oma. 

Diese OMAge stammt von Şeniz Tiryaki aus Bremen. Der Kurzfilm ist im Rahmen des TLNT&TLNT Mentoring Programms gemeinsam mit Mentorin Bianca Raeddler entstanden.

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Lena & Oma Hedi: Eine Frau, ihr Fahrrad und ihre knallrosa Jacke, die jeder und jede im Dorf kennt

Lena & Oma Hedi

Eine Frau, ihr Fahrrad und ihre knallrosa Jacke, die jeder und jede im Dorf kennt.


Oma, Opa, Mama & Lena – das war lange meine Vorstellung von Familienleben: Wir vier, eine Wohlfühloase. Meine Omi und mein Opi sind von je her ein fester und mit der wichtigste Bestandteil in meinem Leben. Ich bin so dankbar beide noch heute an meiner Seite zu haben. Oma und Opa, die beiden gibt’s für mich – zumindest in meinem Kopf – auch fast nur im Doppelpack und doch beide mit einer ganz unterschiedlichen Rolle in meinem Leben. Meine Omi, die moderne, warmherzige 82-Jährige. Eine Frau, ihr Fahrrad und ihre knallrosa Jacke, die jeder und jede im Dorf kennt. Wenn wir früher zu zweit auf dem Rad – erst ich bei ihr auf dem Gepäckträger, dann irgendwann mit meinen eigenen Rad – durch die Straßen unseres Dorfs gefahren sind, kam oft der Satz:

Hey Nana - Carina & Oma Elfriede

 „Ah Hedi, is des doi kleeni Lena?“

Ja, Hedis kleine Lena, die nach der Schule immer gern zu Omi nach Hause ist, die sich auf warmes Mittagessen bei Oma gefreut hat und die von Oma Hedi viel gelernt hat: Selbstlosigkeit, Liebe, mit 82 noch gefühlt Anfang 70 zu sein, aber auch die ständige Sorge, dass es den Liebsten nicht gut genug geht.

Oma Hedi setzt heute noch alles daran, dass es uns immer irgendwie gut geht und würde selbst immer zurückstecken, bevor es anderen nicht gut geht. Auf der einen Seite bewundere ich diese Selbstlosigkeit, auf der anderen Seite wünsche ich mir, dass sie sich selbst mehr Gönnen würde und sei es nur sich einmal in der Woche ’nen großen Becher Eis.

Nie werde ich die stolzen Blicke meiner Omi vergessen: Sei es bei einer meiner Theateraufführungen, sei es bei meiner Bachelorverleihung als sie Tränen in den Augen hatte, sei es, als sie stolz im ganzen Dorf erzählt hat, dass meine erste Doku im Fernsehen läuft oder einfach nur bei einer meiner zahllosen Aufführungen im Wohnzimmer stolz klatschte. Dieser Blick und diese Liebe hat sich fest in meinem Kopf eingebrannt.

Ich bin mit meiner Oma – und natürlich auch meinem Opa und meiner Alleinerziehenden Mama – groß geworden und habe von allen so unfassbar viel Liebe erfahren. Wir vier, wir sind schon immer ein gutes Team gewesen und trotzdem habe ich oft ein schlechtes Gewissen, dass ich insbesondere Oma und Opa ihre bedingungslose Liebe gar nicht so zurückgeben kann. Primär, weil ich nicht mehr zu Hause in unserem kleinen Ort lebe und es irgendwie nicht öfter als einmal im Monat nach Hause schaffe und gerade von Oma weiß, dass sie sich das wünschen würde.

Trotzdem ist meine Liebe unendlich und ich hoffe, dass sie weiß, dass es nichts mit fehlender Liebe, sondern einfach mit Veränderungen und anderen Lebensmittelpunkten zu tun hat. Denn im Inneren bin ich immer noch die kleine, sommersprossige Lena, die bei Oma auf dem Schoß sitzt und mit ihr ihre Lieblingssendung „Wer wird Millionär“ schaut oder die Teenagerin Lena, die von Oma mit dem Auto mal auf einer Party abgeholt wurde – ja, weil meine Oma a.) einfach cool war und mich nachts abgeholt hat und b.) ja, weil sie selbstlos war/ist und Angst gehabt hätte, wenn sie’s nicht getan hätte.

Hey Nana - Carina & Oma Elfriede

Ich habe von meiner Omi viel gelernt und ich hoffe, dass sie das weiß und auch, wie dankbar ich bin, dass sie meine Mami und mich immer unterstützt hat und noch heute tut!


Diese OMAge stammt von Lena Nagel. Sie lebt in Mainz und arbeitet als Redakteurin bei Finally.Studio. Lena hat im Juni 2022 ihre ersten Doku-Beiträge „Programmierte Ungerechtigkeit“ und „Liebe, Macht und Metaverse“ fürs zdf veröffentlicht. Klar, da ist Oma Hedi da so richtig stolz!

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